Warum Deutschland auf Indiens Fachkräfte setzt

Neu-Delhi/Berlin. Wie ein Headhunter hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) zuletzt in Indien für Deutschland geworben. In einem Café im südlichen Bengaluru tauschte er sich mit einem Hochbauingenieur, zwei Maurern und einer Krankenschwester aus, die bald in die Bundesrepublik auswandern wollen – und Scholz versprach bürokratische Hürden für indische Spezialistinnen und Spezialisten abzubauen. Die Bundesregierung sieht in dem Subkontinent ein großes Potenzial, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Immerhin ist Indien die bevölkerungsreichste Nation der Welt mit 1,4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern – und ein Auswanderungsland par excellence mit Hunderttausenden Studierenden und Fachkräften, die jedes Jahr ihr Glück im Ausland suchen.

Ganz neu ist das deutsche Interesse an indischen Arbeitskräften zwar nicht – früher jedoch tat man sich schwerer damit. Bereits Scholz-Vor-Vorgänger Gerhard Schröder wollte mit einer Green-Card-Initiative vor allem Techniker ins Land holen. Aus der CDU gab es kräftigen Gegenwind, später reduziert auf den Slogan: «Kinder statt Inder». Richtig in Gang kam die Migration indischer Fachkräfte nicht.

Inzwischen gibt es ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz sowie ein Mobilitätsabkommen mit Indien, das die Zuwanderung vereinfachen soll. Und dieses praktisch einhellige deutsche Interesse stößt auf Gegenliebe. Die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter aus dem Land hat sich in den vergangenen drei Jahren fast verdoppelt – auf 129 000. Verglichen mit Zuwanderungsländern wie der Türkei oder Rumänien ist das noch immer wenig, aber die Zahl steigt rasant. Und aus keinem anderen Land kommen heute mehr ausländische Studierende als aus Indien.

Darum wollen Fachkräfte nach Deutschland

Scholz wollte bei dem Fachkräftetreffen im Café wissen, warum sie sich für die Bundesrepublik entscheiden. Die Krankenschwester Janeeta Jacob, die dort war, sagt, sie habe ihm dies geantwortet: «In Indien haben wir viel Stress und wenig Gehalt, aber in Deutschland haben wir wenig Stress und viel Gehalt.» Zudem hofft die 32-Jährige auch für ihre beiden Söhne auf eine bessere Work-Life-Balance in ihrer neuen Heimat. Die langfristige Perspektive, sich nach einigen Jahren dauerhaft niederlassen zu können, sei für indische Zuwanderinnen und Zuwanderer beliebt, betont auch Fachkräfteexpertin Denise Eichhorn von der Deutsch-Indischen Handelskammer in Mumbai. «Auch, dass Ehepartner ohne Probleme einer Anstellung nachgehen können, macht Deutschland attraktiver als traditionelle Migrationsländer von Indien.»

Gleichwohl ist die Bundesrepublik bei Menschen aus der ehemaligen britischen Kolonie bei Weitem nicht die beliebteste Destination. Viel häufiger zieht es sie in Länder, in denen man mit Englisch gut zurechtkommt. In den USA etwa leben Millionen von ihnen, darunter Silicon-Valley-Chefs wie Sundar Pichai von Google sowie Satya Nadella von Microsoft. Bei der Bundesagentur für Arbeit erklärt die zuständige Vorständin Vanessa Ahuja: «Langwierige Anerkennungsverfahren, die schleppende Digitalisierung und hohe Sprachanforderungen machen Deutschland nicht immer zur ersten Wahl.»

Auch für Krankenschwester Janeeta Jacob sei ihr erstes halbes Jahr im bayrischen Bad Heilbrunn nicht ganz einfach gewesen. «Ich habe etwas Heimweh, weil ich meinen Mann und die Kinder vermisse», sagt sie. Sie habe erst kürzlich einen Antrag stellen können, dass ihre Familie zu ihr ziehen kann – nachdem sie eine Anerkennungsprüfung abgelegt und ihr Mann ein Zertifikat über deutsche Sprachkenntnisse vorgelegt habe. Außerdem habe sie die ersten sieben Monate in einem Patientenzimmer in ihrer Klinik gelebt, weil sie keine bezahlbare Wohnung gefunden habe, sagt sie. Dass die Suche nach einer Bleibe schwieriger sei als die nach einem Job, hört auch Fachkräfteexpertin Denise Eichhorn von der Deutsch-Indischen Handelskammer immer wieder. Eine weitere Hürde sei das Geld, das Auswanderungswillige für ein Leben in Deutschland brauchten, sagt sie: Nicht alle könnten sich den Migrationsprozess und einen Sprachkurs leisten. Die, die schließlich aber kämen, könnten mit Ausnahme der IT-Branche meist Deutsch.

Indische Zuwanderer haben einen guten Ruf

Indische Zuwanderer haben vielerorts einen guten Ruf – und eine hervorragende Ausbildung: 54 Prozent der 129.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Inderinnen und Inder in Deutschland arbeiten in Jobs, für die eine Expertenausbildung notwendig ist, heißt es von der Bundesagentur für Arbeit. Unter allen in Deutschland tätigen Menschen ist diese Quote nur etwa halb so hoch. Das schlägt sich auch im Gehalt nieder: Der Median, also der Wert, bei dem es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkommen liegt, für die Gruppe der indischen Zuwanderinnen und Zuwanderer liegt bei monatlich 5227 Euro. Im gesamtdeutschen Schnitt liegt der Median dagegen nur bei 3646 Euro.

Aber warum wollen so viele gut ausgebildete Menschen Indien verlassen? Immerhin ist das Land inzwischen die fünftgrößte Wirtschaftsmacht, die viele Investoren anlockt, und mit dem robusten Wachstum könnte der Subkontinent bald die deutsche Wirtschaft überholen. Es gibt dabei einen Haken: Das Wachstum ist ungleichmäßig verteilt und es fehlen Jobs – auch für Menschen mit guter Bildung. Zudem beträgt das Pro-Kopf-Einkommen laut Weltbank gerade mal knapp 2000 Euro – im Jahr. Krankenschwester Janeeta Jacob sagt, sie fände zwar auch in Indien leicht einen Job, habe zuletzt aber nur rund 250 Euro im Monat verdient. Und abgesehen von der Bürokratie gefalle es ihr in ihrer Wahlheimat Deutschland sehr gut, sagt sie. Die Leute seien meist freundlich (dpa).

Von Anne-Sophie Galli und Michael Donhauser

Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einem Gespräch mit indischen Fachkräften 2023. Foto: Michael Kappeler/dpa
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